Wie Umlaute entstehen (können)

AusgangslageMan kann wohl behaupten, dass Die Umlaute ö [ø] und ü [y] typisch für germanische Sprachen sind. Gehen wir von einem Vokalsystem ohne vordere gerundete Vokale aus, gibt es zwei Arten, wie diese zusätzlichen Vokale entstehen:

  • Variante 1: Vordere, ungerundete Vokale werden durch (Fern-)Assimilation an einen nachfolgenden gerundeten Vokal (meist /u/) gerundet: /i/ > /y/, /e/ > /ø/.
  • Variante 2: Hintere gerundete Vokale werden von einem nachfolgenden vorderen Vokal (meist /i/) „nach vorne gezogen“ (ergo wiederum eine Assimilation) und damit zu vorderen gerundeten Vokalen: /u/ > /y/, /o/ > /ø/. So entstanden innerparadigmatische Umlaute wie Gott – Götter oder Buch – Bücher.

Varianten

Dasselbe mit Features ausgedrückt, wiederum etwas vereinfacht:

Features

Das war jetzt eine lange Vorrede und wahrscheinlich trotzdem unverständlich. Tut mir leid.

Eigentlich geht es nur um folgende kleine Sache, die mir im Buch „Der Goalie bin ig“ von Pedro Lenz (Prädikat „empfehlenswert!“) aufgefallen ist: Ähnliche Lautwandel sind wohl auch in weniger weit zurückliegender Zeit geschehen, und zwar in einem oder mehreren Dialekten des Schweizer Mittellands (ich nehme an, dass es sich um den Dialekt in Langenthal handelt, da 1. Pedro Lenz von dort kommt 2. in Bern selbst nach meinen (zugegeben sehr beschränkten) empirischen Recherchen diese Lautwandel nicht durchgeführt sind 3. ich mir einbilde zu wissen, dass man im nahe gelegenen Aargau Püuze („Pilze“) sagt).

Der Prozess geht so: Im Zuge der berndeutschen l-Vokalisierung wird /l:/ zu /w/ (im folgenden u geschrieben), dieses /w/ schiebt dann eine Rundung (vgl. Variante 1) des vorhergehenden Vokal an:

i > y /_w (i wird zu ü vor u)

  • stüu (still)
  • Spüu, Bischpüu (Spiel, Beispiel)
  • büuig (billg)
  • Füum (Film)
  • mithüuft (mithilft)
  • Büud (Bild)

e > ø /_w (e wird zu ö vor u)

  • wöu (weil)
  • Töu (Teil)
  • useschtöut (herausstellt)
  • verzöu (Erzähl)
  • Gägetöu (Gegenteil)
  • Öutere (Eltern)
  • bschtöue (bestellen)

Das ist derselbe Prozess, der im Späturnordischen *sekkwan zu søkkwa und *singwan zu syngva verschob. Wenn man solche Parallelen faszinierend findet, empfehle ich ein Linguistikstudium.

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