Gleichet euch an, ihr Konsonanten!

Assimilation scheint mir ein phonologisches Grundkonzept zu sein, das sowohl in der diachronen als auch in der synchronen Linguistik eine Rolle spielt. Und es ist ein anschauliches Beispiel um zu erklären, um was für eine Art von Prozessen es in der Sprachwissenschaft geht. Ich habe ein paar Beispiele aus dem Schweizerdeutschen gesammelt:

Senf spreche ich nicht /senf/ aus, sondern /semf/ – der Nasal /n/ hat sich an den Artikulationsort des /f/ angeglichen und wird als /m/ realisiert. Ebenso Gomfi für Konfitüre oder Hamf statt Hanf. Auch Präfixe können sich angleichen, so sage ich nicht unpraktisch, sondern umpraktisch.

Die Angleichung der Präfixe lässt sich auch schön im Französischen sehen, wo Präfixe in einigen Fällen systematisch angeglichen werden: impressionnant, nicht inpressionnant; imbarbe („bartlos“), nicht inbarbe. Diese Angleichung geht vermutlich schon aufs Latein zurück (im Französischen wird der Nasal sowieso nicht realisiert bzw. nur als Nasalisierung des Vokals, wo man nicht merkt, ob es mal ein /n/ oder ein /m/ war).

Im Latein findet eine weitgehende Assimilation der Präfixe statt: ad-ferre, ad-tuli, ad-latum wird zu afferre, attuli, allatum („herbeitragen“), differe („auseinandertragen, sich unterscheiden“) kommt von dis-ferre, wie man noch an der Stammform distuli sieht.

Zurück zum Schweizerdeutschen. Vor allem in Zürich scheint man sogar das /m/ in nimmt an das /t/ zu assimilieren: ninnt. Stinnt („stimmt“) habe ich allerdings noch niemand sagen hören. Eine vollständige Assimilation haben wir bei mitbringe („mitbringen“), das oft als /’mipriŋə/ ausgesprochen wird.

Im ganzen deutschen Sprachraum (wie auch in anderen Sprachen) wurde die Aussprache von /n/ vor /k/ assimiliert: das /n/ in Hand und das in Henker ist ein anderes – das zweite wird wie das /k/ velar gesprochen, also weiter hinten. Dieselbe Assimilation lässt sich im Finnischen beobachten: Helsinki sprechen FinnInnen aus wie wir es sagen würden: mit velarem Nasal /ŋ/.

Das Gegenteil einer Assimilation ist eine Dissimilation. Ein Beispiel wäre mitnää („mitnehmen“), ausgesprochen als /’miʔnɛ:/ (der Haken vor dem /n/ ist ein Glottisschlag). Der Ausspracheort von /t/ und /n/ ist jeweils alveolar, was hintereinander schwer auszusprechen ist. Das /t/ wird also als Glottisschlag realisiert. Allerdings passiert dasselbe mit dem /t/ in mitmache („mitmachen“), ausgesprochen als /’miʔmaχə, obwohl /t/ und /m/ nicht an derselben Stelle ausgesprochen werden. Nur /t/s vor Nasalen scheinen durch Glottisschlag ersetzt werden dürfen.

Zum Schluss noch etwas Theorie, um das Phänomen der Assimilation einzukorken: Es gibt vollständige Assimilationen (Hämmer alles? für „Händ mir alles?“) und teilweise Assimilation (die meisten der oben stehenden, bei denen nur der Ort angeglichen wird, wo ein Laut ausgesprochen wird, aber der Laut nicht mit dem anderen „verschmilzt“).

Weiter unterscheidet man zwischen progressiver und regressiver Assimilation; Hamf und Semf sind Beispiele für eine regressive Assimilation (das Merkmal „labial“ greift vom /f/ zurück aufs davor stehende /n/, das zu /m/ wird), eine progressive Assimilation wäre zum Beispiel das stimmhafte Plural-s nach stimmhaften Vokalen im Englischen wie in dogs /dᴧgz/. Und natürlich gibt es auch bei Vokalen Assimilationen; so ist der Plural Mägde (mit Umlaut) das Resultat einer (Fern-)Assimilation, bei dem sich das /a/ ans /e/ angeglichen hat. Auch dem Umlaut, einem wichtigen Prozess in der diachronen germanischen Linguistik (wie auch bei anderen Sprachgruppen), liegt also eine Assimilation zu Grunde.

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